Auswirkung der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf die Wiedereingliederung der LeistungsbezieherInnen ins Erwerbsleben

Die Frage, ob es seit Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung tatsächlich zu einer besseren Arbeitsmarktintegration der BMS-BezieherInnen bzw. zu Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik kam, kann zum Zeitpunkt der vorliegenden Evaluierung noch nicht umfassend beantwortet werden, da der Nachbeobachtungszeitraum noch relativ kurz ist.
Was auf Basis der bisherigen Datenanalyse gezeigt werden kann, ist eine Zunahme des Ausmaßes an Erwerbsintegration der BMS-EmpfängerInnen sowie ein Trend zum Rückgang der Abhängigkeit von BMS-Leistungen durch eine Erhöhung der Erwerbsintensität.
Zudem konnten mit der Umstellung vom System der offenen Sozialhilfe auf die BMS Impulse bei der Aktivierung der Personengruppe – das heißt eine erhöhte Integration in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – nachgewiesen werden.
Die Gruppe der BMS-BezieherInnen ist stark von vermittlungshemmenden, multiplen Problemlagen geprägt, die eine rasche (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt deutlich erschweren. So ist sie etwa durch eine hohe Bildungsferne gekennzeichnet. Bei dieser Personengruppe ist daher von einer mittel- bis längerfristigen Perspektive bis zum (Wieder-)Eintritt ins Erwerbsleben auszugehen. Die Unterstützung zur Erwerbsintegration kann oft erst am Ende einer Kette an weiterführenden Stabilisierungsmaßnahmen stehen, um tatsächlich erfolgreich sein zu können. Ältere BMS-BezieherInnen und jene mit gesundheitlichen Einschränkungen sind besonders von Arbeitsmarktferne betroffen.
Da das Unterstützungsangebot zum Zeitpunkt der Erhebungen noch nicht flächendeckend ausgebaut war bzw. sich teilweise in einer Pilotphase befand, können noch keine endgültigen Ergebnisse bezüglich der Qualität und des Ausmaßes der Unterstützung vorgelegt werden. Festgehalten werden kann, dass es neue Impulse im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gibt, dass aber – soll das Ziel der Erwerbsintegration langfristig und nachhaltig erreicht werden – die Vielschichtigkeit der Probleme weitere Adaptierungen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik notwendig macht.
Angebote zur Unterstützung der Zielgruppe, um am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen, können daher nicht nur Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik sein, sondern müssen auf breiter Basis erfolgen: Vor allem eine umfassende sozialarbeiterische Unterstützung sowie ein abgestimmtes Angebot an Rehabilitationsmaßnahmen zur Unterstützung der (Wieder-)Erlangung der Arbeitsfähigkeit der Zielgruppe sind hier zu nennen. Aber auch eine Adaptierung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, um der Zielgruppe gerecht zu werden, kann als zentral angesehen werden. In diesem Bereich wurden bereits erste Schritte gesetzt. Wie die vorliegende Evaluierung zeigt, ist aber weiterer Optimierungsbedarf gegeben.
Zu den erfreulichen Entwicklungen seit Einführung der BMS kann gezählt werden, dass BezieherInnen einer BMS stärker als noch zu Zeiten der offenen Sozialhilfe als Zielgruppe der aktiven Arbeitsmarktpolitik wahrgenommen werden. Es lassen sich unterschiedliche Ansätze ausmachen, die auf die speziellen Probleme der Zielgruppe zugeschnitten sind. In erster Linie sind hier so genannte Betreuungs- und Beratungsprojekte, welche mit Case-Management-Ansätzen arbeiten, zu nennen, welche in den Bundesländern erprobt und umgesetzt werden. Wenn auch nicht quantitativ in ausreichendem Maße implementiert, können zumindest auf qualitativer Ebene positive Entwicklungen konstatiert werden. Eine Analyse von Förderdaten zeigt ein nach Einführung der BMS kontinuierliches Ansteigen jenes Anteils der BMS-BezieherInnen, welcher von arbeitsmarktpolitischen Angeboten erfasst wird.
Zudem machen die spezifischen Problemlagen der BMS-BezieherInnen auch ein Umdenken hinsichtlich der möglichen Wirkungseffekte erforderlich. In diesem Zusammenhang muss die Frage gestellt werden, welche kurz-, mittel- oder längerfristigen arbeitsmarktpolitischen Erfolge als realistisch einzustufen sind. Für viele Menschen ist ein sofortiger Einstieg in den ersten, aber auch zweiten Arbeitsmarkt, noch nicht möglich. Auch die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bzw. eine unregelmäßige Teilnahme am Arbeitsmarkt kann hier schon als erster Schritt in die richtige Richtung interpretiert werden und ist in diesem Sinn als erster Teilerfolg zu sehen, dem mittel- oder längerfristig weitere Schritte folgen können.
Vor diesem argumentativen Hintergrund ist den Längsschnittdatenanalysen zufolge ein Erfolg der bisherigen Ansätze abzulesen. So ist bei rund 20% der BMS-BezieherInnen im relativ kurzen Nachbeobachtungszeitraum von 9 Monaten, der im Rahmen dieser Evaluierung seit Einführung der BMS möglich ist, ein Zuwachs an Beschäftigungszeitanteilen nachzuweisen.
Mit der Konzeption und Umsetzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung war auch der Anspruch verbunden, den Zugang zur Leistung für (potentielle) BezieherInnen zu erleichtern und damit die teilweise sehr hoch veranschlagte Non-take-up-Rate früherer Jahre im Kontext der offenen Sozialhilfe zu senken. Verbesserungen im Zugang zur Leistung wurden im Rahmen der BMS unter anderem durch eine Erweiterung der Möglichkeiten der Antragstellung auf die Geschäftsstellen des AMS erreicht werden. Wenn dies auch derzeit nicht flächendeckend umgesetzt wurde, zeigt sich, dass es zumindest zu einer Ausweitung der Informationstätigkeit über die BMS in den regionalen Geschäftsstellen des AMS gekommen ist, wo relativ flächendeckend (potentielle) BMS-BezieherInnen über die BMS informiert werden und Info-Blätter aufliegen. Zudem erfolgte in den meisten Bundesländern eine Verbesserung der Kooperation zwischen Sozialbehörde und AMS, teilweise auch eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Trägern arbeitsmarktpolitischer Projekte für BMS-BezieherInnen. Mit dieser besseren Abstimmung sollen Erleichterungen für die BMS-BezieherInnen einhergehen und eine bessere Adaptierung der Angebote für diese Zielgruppe erreicht werden.

Themen: Aeltere, Arbeitsmarkt, Atypische Arbeit und Berufe, Evaluationsstudien, Frauen, Jugend, Menschen mit Behinderung, Soziales
Auftraggeber:innen: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
Mitarbeiter:innen: Andreas Riesenfelder, Claudia Sorger, Nadja Bergmann
Status: beendet
von: 2012 bis: 2012

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